30 Jahre Frauen- und Kinderschutzhaus Konstanz

„Aus aktuellem Anlass“, so war der Titel einer Veranstaltung, zu der das Frauen- und Kinderschutzhaus Konstanz am 12.04.2024 in den Konstanzer Wolkensteinsaal anlässlich seines 30-jährigen Jubiläums einlud.

Das Frauenhaus Konstanz war am 15. April 1994 nach mehrjähriger Vorbereitungszeit eröffnet worden. Christa Albrecht, die damalige Frauenbeauftragte der Stadt Konstanz war damals zusammen mit dem Verein „Frauen helfen Frauen“ wegen einer möglichen Trägerschaft auf den damaligen AWO-Geschäftsführer Werner Neidig zugegangen. Gemeinsam konnte zunächst die WOBAK als Vermieterin von zwei 3-Zimmerwohnungen gewonnen werden. Im August 1996 konnte das Frauenhaus in zwei große Wohnungen umziehen und befindet sich seit dem erneuten Umzug im Mai 2007 in einem von allen lieb gewordenen Haus. Mit dem Second Stage Projekt STABIL (Stark auf eigenen Beinen im Leben) konnte das Schutzangebot im Dezember 2019 mit einer ersten Schutzwohnung erweitert werden. Seit 2021 steht dem Frauenhaus eine zweite Wohnung für betreutes Anschlusswohnen zur Verfügung.

Dass das 30-jährige Jubiläum nicht wirklich ein Grund zum Feiern ist, stellte AWO-Geschäftsführerin Regina Brütsch gleich zu Beginn heraus. Denn eigentlich sollte es eher nachdenklich stimmen, dass nach so langer Zeit das Thema häusliche Gewalt und Gewalt in der Partnerschaft nichts an Aktualität eingebüßt hat. Die nach wie vor hohe Anzahl der Anfragen und die Belegungsquote zeigen, wie dringend ausreichend viele Schutzeinrichtungen gebraucht werden, auch wenn das Thema Gewalt in der Partnerschaft und Familie heute weitaus stärker im öffentlichen Bewusstsein ist als im Jahr 1994.

Wie die AWO-Geschäftsführerin beschrieb, hat sich die Arbeit im Frauenhaus in den vergangenen Jahren inhaltlich und konzeptionell deutlich verändert und weiterentwickelt. Und doch bleibt sich das Haus bis heute treu: „Ausgehend von einem feministischen, parteilichen Ansatz entspricht der Anspruch der Hilfe zur Selbsthilfe oder neudeutsch Empowerment dem Leitbild der AWO und steht damit in der Nachfolge unserer Gründerin Marie Juchacz, für mich eine der zentralsten Vorkämpferinnen für die Rechte der Frauen in Deutschland“, so Regina Brütsch.

Nach wie vor fehlt es an einer bundeseinheitlichen Regelung zur Finanzierung des Aufenthalts im Frauenhaus. „Darunter leiden vor allem Frauen, die in einem Frauenhaus bei uns in Baden- Württemberg Schutz suchen“, so Regina Brütsch. Denn im Gegensatz zu anderen Bundesländern erfolgt die Finanzierung hier in der Regel über Tagessätze nach dem SGB 2. Für all diejenigen, die keinen Anspruch auf Bürgergeld geltend machen können, wird der Frauenhausaufenthalt daher oft zu einem nahezu unerschwinglichen Abenteuer, mit der Folge, dass viele allein aus Kostengründen wieder in die Gewaltsituation zurückkehren.

In den 30 Jahren des Bestehens haben 912 Frauen und 1.222 Kinder im Frauenhaus Schutz und Unterkunft finden können, wie Frauenhaus-Mitarbeiterin Ute Klasen erläuterte. Der kürzeste Aufenthalt lag dabei bei 2 Stunden; längere Aufenthaltszeiten gehen manchmal bis zu maximal einem halben Jahr. 1.424 zusätzliche Anfragen nach einem Platz mussten allein wegen vorübergehender Vollbelegung oder, und das verstärkt in den letzten drei Jahren, wegen mangelnder Finanzierung abgewiesen werden. „Die Finanzierung des Aufenthalts ist aktuell die größte Hürde bei einer Aufnahme und das ist ein Baden-Württembergisches Problem“, so Ute Klasen. Ihr Dank galt allen Spenderinnen und Spendern, die das Frauenhaus über viele Jahre, z.T. von Beginn an mental unterstützen, aber auch materiell und finanziell.

Als Höhepunkt des Abends gab es einen Vortrag über das Thema „Antifeminismus und Rechtspopulismus“ von der Soziologin und feministischen Geschlechterforscherin Dr. Franziska Schutzbach von der Universität Basel, der in Kooperation mit der Chancengleichheitsstelle der Stadt Konstanz organisiert wurde. Darin erläuterte Franziska Schutzbach den wichtigen Zusammenhang von antifeministischen Bestrebungen und rechter Radikalisierung. Denn die Aversion gegen Gleichstellungsanforderungen sei der Punkt, an dem sich Antifeminismus und Rechtsextremismus verbinden würden. Somit spielten Antifeminismus und Anti-Gender-Rhetorik bei der „Einmittung“ rechter Weltanschauungen eine zentrale Rolle.

Julika Funk, Leiterin der Chancengleichheitsstelle Stadt Konstanz, überbrachte die Grußworte der Stadt Konstanz.

Auf dem Foto v. l. n. r.: Ute Klasen (Mitarbeiterin Frauenhaus), Dr. Franziska Schutzbach , Christine Barth (Mitarbeiterin Frauenhaus), Julika Funk (Gleichstellungsbeauftragte Stadt Konstanz), Regina Brütsch (AWO-Geschäftsführerin)

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